DNS4EU ist eine Initiative der Europäischen Union, die am 9. Juni 2025 gestartet wurde und einen öffentlichen, kostenlosen und DSGVO-konformen DNS-Resolver bietet. Das Projekt zielt darauf ab, die digitale Souveränität Europas zu stärken, indem es eine Alternative zu globalen DNS-Diensten schafft, die außerhalb der EU verwaltet werden. Der Dienst wird von der EU kofinanziert und von der Europäischen Agentur für Cybersicherheit (ENISA) unterstützt; Betreiber ist ein Konsortium aus 10 Organisationen verschiedener Mitgliedsstaaten. DNS4EU verfolgt nicht nur das Ziel, eine Alternative zu marktbeherrschenden, häufig nicht-europäischen Resolvern (z. B. Google Public DNS oder Cloudflare) bereitzustellen, sondern auch „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“-Prinzipien umzusetzen und die Resilienz kritischer Infrastrukturen in der EU zu stärken.
Inhaltsverzeichnis
In den letzten Jahren wurde die Dominanz weniger globaler DNS-Anbieter (z. B. Google 8.8.8.8 oder Cloudflare 1.1.1.1) als Risiko strategischer Abhängigkeit wahrgenommen. Die globalen DNS-Ausfälle in den Jahren 2019 und 2020 haben gezeigt, welche großflächigen Störungen in ganz Europa entstehen können, wenn zentrale Resolver ausfallen. DNS4EU soll diese Risiken minimieren, indem eine verteilte Infrastruktur vollständig innerhalb der EU errichtet wird – im Einklang mit der EU-Cybersicherheitsstrategie und der NIS2-Richtlinie. Zudem wurde schon lange beobachtet, dass ein erheblicher Teil des DNS-Verkehrs europäischer Nutzer außerhalb der EU verarbeitet wird, was Bedenken hinsichtlich DSGVO-Konformität sowie politischer Eingriffe und Cyberbedrohungen aufwirft. Im Rahmen der Digital- und der neuen Cybersicherheitsstrategie der EU wird die Notwendigkeit eigenständiger, vertrauenswürdiger Infrastrukturlösungen betont. DNS4EU erfüllt diese Anforderungen, indem der Dienst vollständig in Rechenzentren innerhalb der Mitgliedsstaaten gehostet wird.
Das DNS4EU-Konsortium besteht aus nationalen Domain-Registraren, Forschungseinrichtungen und Technologieanbietern:
ENISA koordiniert Sicherheitsfragen und den Austausch zusätzlicher Bedrohungsinformationen, um eine schnelle Reaktion auf Angriffe auf europäischer Ebene zu ermöglichen. Die EU-Finanzierung deckt den Zeitraum 2023–2025 ab; anschließend plant das Konsortium den Übergang zu einem operativ eigenständigen Modell über kommerzielle Angebote.
DNS-Engine und Anycast
Kern des Systems ist die Open-Source-Software Knot Resolver 6, die in Cloud-Infrastrukturen weit verbreitet ist. Die DNS4EU-Knoten sind geografisch in mindestens 14 EU-Mitgliedsstaaten verteilt und über Anycast-Routing verbunden, was geringe Latenzen und hohe Redundanz gewährleistet. Betreiber nutzen europäische Cloud-Anbieter (Datapacket, Scaleway), um Abhängigkeiten von Nicht-EU-Anbietern zu vermeiden.
Unterstützung verschlüsselter Protokolle und DNSSEC
Alle DNS4EU-Konfigurationen bieten:
Die Endpunkte für DoH und DoT sind öffentlich dokumentiert, z. B. protective.joindns4.eu/dns-query oder unfiltered.joindns4.eu:853
Dienstkonfigurationen und Adressierung
Der öffentliche DNS4EU-Resolver bietet fünf Varianten, jeweils mit dedizierten IPv4- und IPv6-Adressen:
Variante | IPv4 | IPv6 | Funktionen |
---|---|---|---|
Unfiltered | 86.54.11.100 | 2a13:1001::86:54:11:100 | Basisauflösung ohne Filter |
Protective Resolution | 86.54.11.1 | 2a13:1001::86:54:11:1 | Blockierung bekannter bösartiger und Phishing-Domains |
Protective + Child Protection | 86.54.11.12 | 2a13:1001::86:54:11:12 | Zusätzlich Blockierung kinderunfreundlicher Inhalte |
Protective + Ad Blocking | 86.54.11.13 | 2a13:1001::86:54:11:13 | Werbefilterung neben Bedrohungsschutz |
Protective + Child + Ad Blocking | 86.54.11.11 | 2a13:1001::86:54:11:11 | Vollschutz (Bedrohungen + Familie + Werbung) |
Quelle: DNS4EU-Dokumentation
Das öffentliche Anfrage-Limit liegt bei 1.000 qps pro IP; für kommerzielle Kunden sind dedizierte Instanzen ohne Limits vorgesehen.
Threat-Intelligence-Pipeline
Die Sicherheitsschicht basiert auf der Whalebone-Engine, die DNS-Anfragen mit folgenden Methoden analysiert:
Datenschutz und Anonymisierung DNS4EU verfolgt eine strikte Zero-Log-Politik und IP-Anonymisierung:
Typische Einsatzszenarien:
Die gesamte Betriebsumgebung von DNS4EU unterliegt der EU-Gerichtsbarkeit, und Anfragelogdaten werden nach maximal 24 Stunden gelöscht. Die Nutzung der Daten zu Profilierungs- oder Verkaufszwecken ist untersagt. Der Dienst folgt vollständig dem „Privacy by Design“-Prinzip, bestätigt durch ein DSGVO-Audit von Time.lex, einem der Rechtspartner im Konsortium.
Privatanwender:
Öffentlicher Sektor:
Telekommunikationsanbieter und ISPs:
– Phasen:
– Cloud- und Hosting-Anbieter: Scaleway, DataPacket, Hetzner, lokale Provider. – Monitoring: Prometheus + Grafana für Metriken, Alerts und SLA-Analysen in Echtzeit.
Seit dem 9. Juni 2025 ist DNS4EU öffentlich verfügbar. Jeder Nutzer und jede Institution kann die folgenden Anycast-Adressen konfigurieren:
Die technische Dokumentation und Implementierungsanleitungen finden sich auf der Projektwebseite: https://www.joindns4.eu.
So entsteht eine umfassende, verteilte und hochsichere DNS-Infrastruktur, die nicht nur EU-Anforderungen (NIS2, GDPR) erfüllt, sondern auch fortschrittliche Observability-, Automatisierungs- und Resilienzmechanismen bietet. DNS4EU markiert einen Meilenstein in der digitalen Souveränitätsstrategie Europas. Durch Anycast-Verteilung, moderne Sicherheitsprotokolle (DNSSEC, DoH, DoT) und strikte Datenschutzregulierung stellt das Projekt eine robuste Alternative zu globalen DNS-Anbietern dar. Für Organisationen, die in Europa eine private, leistungsfähige und unabhängige DNS-Lösung suchen, eröffnet DNS4EU neue Möglichkeiten zum Schutz und zur Kontrolle des Netzwerkverkehrs. Mit der Einführung von DNS4EU werden nicht nur technologische Abhängigkeiten reduziert, sondern auch die Widerstandsfähigkeit europäischer Infrastrukturen gegen Cyberbedrohungen gestärkt – ein entscheidender Schritt hin zur langfristigen digitalen Autonomie der EU.